RÜCKENSCHMERZEN
Fast Alle Menschen haben Rückenschmerzen. Jeder 3. Deutsche hat häufig oder dauernd Rückenschmerzen. Meist sind diese funktionell oder durch chronische Fehlbelastung verursacht. Rückenschmerzen sind daher ein großes gesellschaftliches Problem. In diesem Themenblock wollen wir dir spezifische, häufigere Diagnosen näher bringen.
Als Vorbereitung für die Vorlesung “Rückenschmerzen” bitte folgendes Video von Dr. S. Sachtleben anschauen:
Video: Die hausärztliche orientierende Untersuchung des tiefen Rückens
Hier kannst du dir die aufgezeichnete Vorlesung zum Thema “Rückenschmerzen in der Hausarztpraxis” nochmal anschauen.
→ Zusatz Video-Podcast: Brustwirbelsäulenschmerz in der Hausarztpraxis (Zusatz-Infos, wie in VL erwähnt)
VORLESUNG: Rückenschmerzen in der Hausarztpraxis (WISE 23-24; SOSE 24: Aufnahmefehler: Nicht online verfügbar)
Kreuzschmerzen sind meist unspezifisch, das bedeutet ohne klare Ursache. Dennoch gibt es in ca 15% der Fälle etwas, was man nicht übersehen sollte. Das ist schon eine ganze Menge. In dieser Lernkarte erfährst du mehr über die verschiedenen Definitionen, die dir helfen dich mit dem Thema besser auseinanderzusetzen. Wenn man über Rückenschmerzen redet, spricht man von akut, subakut und chronisch. Diese Zeiträume solltest du kennen.
Außerdem solltest du immer auch an Begleiterkrankungen denken. In der Hausarztpraxis ganz wichtig und häufig unterschätzt: Prävention. Ein ausreichender Muskelapparat, regelmäßige Kräftigung sowie möglichst wenig monotone Haltungen, z. B. am Arbeitsplatz, sind häufig in der Praxis essentiell, aber werden vermehrt auch vom IMPP “geschätzt”. Wichtig ist für die hausärztliche Tätigkeit eine gute und wissenschaftliche Schmerztherapie. Infos Zu Substanzen und Dosis (wichtig auch für die Simulationen, das kommende Praktische Jahr und eure ärztliche Tätigkeit) gibt es in folgendem Praxisleitfaden. (Ärzteblattartikel zum Praxisleitfaden)
Der Bandscheibenvorfall tritt häufiger im mittleren Alter auf, kommt aber auch früher vor. Oft gibt es ein Ereignis, bzw. einen ganz konkreten Schmerzbeginn. Häufig ist ein Schmerz insbesondere beim Vorbeugen deutlich zu vernehmen, es kommt zu einer Irradiation in die Beine (bei LWS-Beschwerden)(bei LWS-Prolaps: Hände zu den Füßen ergibt einen Nervendehnungsschmerz, wie beim Lasègue Test). Die Reklination nach dorsal übt zusätzlichen Druck auf den Spinalnerv aus und ist somit deutlich schmerzhaft. Daraus entsteht eine mit geradem Rücken leicht vorgebeugte, zur kontralateralen Seite gerichtetes Stand-/Gangbild). Hüftbeugung (hinsetzen) wird oft vermieden und gerade in der Akutphase mit leichter Vorbeugung zur kontralateralen Seite und geradem Rücken ertragen. Häufig kommt es zu einer Kribbelparästhesie, manchmal auch zu einer Hypästhesie im betroffenen Areal. Der Reflex ist manchmal vermindert. In der Regel ist eine rein konservative Therapie nötig. Das bedeutet konkret: Schmerztherapie, Bewegung und Physiotherapie. Hierfür müsst ihr eine Heilmittelverordnung ausstellen. Wenn ihr euch fragt, was genau in diese reingehört, schaut euch gern → hier eine kurze Erklärung an. Interventionell ist eine Therapie dann nötig, wenn es zu Harn- oder Stuhlinkontinenz kommt, oder wenn die Motorik beeinträchtigt wird. In diesem Fall muss der Hausarzt auch weitere Bildgebung und Diagnostik organisieren.
Spinalkanalstenose
Die Spinalkanalstenose ist ein häufiges Krankheitsbild in der Hausarztpraxis. Es gehört zu den spezifischen Rückenschmerzen und tritt insbesondere bei älteren Patienten auf.Wie auch beim Bandscheibenvorfall, ist ein Spinalnerv betroffen, jedoch durch degenerative Osteophyten. Diese Patienten können oft sehr gut und still sitzen, mögen jedoch nichts was (Reklinations-) Druck auf den Spinalkanal auslöst. Bergaufgehen (dabei ist man in der Regel etw. vorgebeugt) ist angenehm, aber jeder Schritt Bergab führt zu einschießenden Beschwerden. Oft sind die Patienten in Ihrem Lebensalltag durch die Beschwerden sehr eingeschränkt, da alltägliches Gehen oft schmerzhaft ist, kommt es zu Meidungsverhalten. Dadurch kommt es zum Verlust von Muskelmasse und oft zu einer Verschlechterung der Gesamtsituation. Es ist also auch Aufgabe des Hausarztes, die Diagnostik im Verlauf anzustoßen (MRT), sich um den Muskelaufbau (z.B. Physio-/Sporttherapie) zu kümmern, und eine adäquate Schmerztherapie zu finden. Auch eine (CT-gesteuerte/freie) Infiltration kann helfen, für eine gewisse Zeit Beschwerdefreiheit zu erlangen. Bei gutem Allgemeinzustand ist auch eine neurochirurgische Dekompression möglich, allerdings muss hier das OP-Risiko kritisch mit dem Patienten und der Einschränkungsausprägung abgewogen werden. In all diesen Schritten ist der Hausarzt maßgeblich beteiligt. Wichtig ist, dass diese tiefen LWS Schmerzen bei älteren Patienten & Patientinnen immer auch kritisch hinterfragt werden müssen, denn auch eine Sinterungsfraktur, oder auch ein Prostatacarcinom mit LWS-Beteiligung können solche Schmerzen verursachen. Ein Klopf- oder Stauchungsschmerz, oder eine PSA- Erhöhung können hier bereits in der Praxis Hinweis auf ein anderes Geschehen sein.
Osteoporose kommt häufig bei älteren Frauen nach der Menopause vor. Man kann die Größe aus dem Reisepass mit der eigentlichen Größe der Patientin vergleichen. Ein Schrumpfen ist hier häufig ein guter Hinweis. Kennst du den Begriff des Tannenbaumphänomens? Das ist oft ein typischer Befund. Sinterungsfrakturen tun sehr weh und können meist radiologisch nachgewiesen werden. Eine DXA Messung weist die Osteoporose nach. Vor der spezifischen Therapie mit Bisphosphonaten oder Denosumab sollte darauf geachtet werden, dass genügend Calcium in der Nahrung zu sich genommen wird und auch der Vitamin D - Spiegel ausreichend hoch ist. Auch sollte immer geschaut werden, dass keine schwere Niereninsuffizienz vorliegt, denn Vitamin D wird in der Niere erst aktiviert. Knochenmetastasen sollte man im Hinterkopf haben: bei Lendenwirbelsäulenschmerzen sollte man an das Prostatakarzinom und beim Brustwirbelsäulenschmerz an Brustkrebs denken. Daher macht es Sinn, bei länger anhaltenden Schmerzen auch einmal weiter zu schauen. Hier gelangst du zum Amboss-Kapitel zu Knochenmetastasen.
Typisches Krankheitsbild, häufig nach falschen, unbequemen nächtlichen Liegen, oder Schlafen auf ungewohntem Kissen oder Unterlage. Es kommt zu einer schmerzhaften Verspannung, die eine Kopfzwangshaltung beim Patienten verursacht. Wichtig ist auch hier ein Ausschluss eines Traumas, oder eines Schleudertraumas, sowie ein fehlender Wirbelkörperklopfschmerz und eine fehlende Irradiation der Beschwerden, oder neurologische Begleitsymptomatiken mit Dys-, Hyp-, oder Parästhesien, motorischen Veränderungen, oder Reflexunregelmäßigkeiten (Hyporeflexie) zwischen links und rechts.
Häufig hilft Wärme, Schmerztherapie und Lockerungs-, oder Hängeübungen, die den Nacken mobilisieren. Damit hören die Beschwerden häufig nach wenigen Tagen wieder auf.
Die Iliosakralgelenk-Blockade ist ein häufiges Bild in der Praxis. Es gibt Zeichen, die auf diese Erkrankung hinweisen (so zum Beispiel das Vorschubphänomen, oder die 2. Stufe des Mennell-Zeichens, oder der ISG-Dehnungsschmerz). Wichtig ist immer, andere Ursachen für den Rückenschmerz, wie traumatische Verletzungen oder auch spinale Ätiologien (z.B. ein Prolaps) auszuschließen. Hierbei steht primär die radikuläre Symptomatik mit dermatombezogenen Beschwerden im Fokus. Außerdem sollten immer die Red Flags des Rückenschmerzes abgeklärt werden. Geht man von der ISG Blockade aus, helfen häufig Lockerungs- und Dehnungsübungen sowie Physiotherapie (Zugbehandlung und Lockerung), meist unter Schmerzmedikation (z.B. Ibuprofen).
Die Myogelose ist ein häufiges Beschwerdebild in der Praxis. Häufig kommt es nach chronischer Fehlhaltung, oft am Arbeitsplatz, zu Verspannungen im Rückenbereich. Die Patienten beugen meist nur unzureichend selbst vor. Oft ist ein muskulärer Hartspann tastbar. Wichtig ist, dass ein Trauma in der Vorgeschichte ausgeschlossen ist und es keine Irradiation oder neurologische Symptome oder Auffälligkeiten gibt.
Aber Achtung, diese Beschwerden haben ein hohes Chronifizierungspotential. Sie benötigen einen aktiven Verhaltenswandel im Alltag der Patienten mit aktiven Kräftigungsübungen, sowie einer variablen Arbeitshaltung. Ansonsten kommen die Patienten mit diesen Beschwerden immer wieder. Oft sind solche Verspannungen auch mit Spannungskopfschmerzen, oft im okzipitalen Kopfbereich vergesellschaftet, da dort viele Muskeln der zervikalen Wirbelsäule ansetzen.
Die Intercostalneuralgie ist ein häufiger Arzt Konsultationsgrund in der Hausarztpraxis. Es kommt zu einer Irritation eines Intercostalnervs. Das Krankheitsbild ist nicht schlimm und kann häufig durch Übungen, z.B. Kraulschwimmen, oder kreisende Armbewegungen unter Schmerztherapie verbessert werden. Es gibt auch manuelle Therapietechniken, die helfen können. Ganz wichtig ist es auch hier, ein Trauma in der Vorgeschichte auszuschließen, denn auch eine Rippenprellung oder eine Rippenfraktur reizt einen Intercostalnerven. Auch ein Herzinfarkt, eine Pleuritis oder ein Pneumothorax wären Krankheitsbilder, die man nicht übersehen darf. Schau dir also genau an, wie man solche Differenzialdiagnosen mit dem EKG oder auskultatorisch ausschließen kann. Eine Lungenembolie (LAE) kann man in der Praxis auch ausschließen, und zwar mit einem Schnelltest für D-Dimere. D-Dimere sollten dann bestimmt werden, wenn eine LAE insgesamt unwahrscheinlich ist. Dies kann mit dem Wells-Score abgeschätzt werden. Wichtig: Es gibt einen Wells-Score für die LAE und für die tiefe Beinvenenthrombose (TVT). Anders als bei vielen anderen Schnelltests ist nur der negative Befund hilfreich, da er eine LAE oder TVT ausschließt (negativ prädiktiver Wert). D-Dimere werden von vielen Reaktionen im Körper beeinflusst. Ein positiver Test bedeutet also noch lange keine TVT oder LAE. Es ist aber immer ein wichtiger Hinweis, den man im Verlauf abzuklären hat. Der Arzt in der Praxis “hofft” also auf einen negativen Test, da er zusätzliche Sicherheit bei der Diagnosefindung bringt.
Auch beim Rückenschmerz spielt die Anamnese wieder eine wichtige Rolle. Denn auch die Rippen setzen an den Wirbelkörpern an und können, oft auch bei leichten Stürzen oder Prellungen, über Wochen Beschwerden machen. Oft sind die Beschwerden atembetont, oder bei Bewegung (spezifische Bewegungen) schmerzhaft. Ein Thoraxkompressionsschmerz oder das Abtasten der einzelnen Rippen hilft in der Diagnosefindung. Manchmal ist es sogar so, dass die Patienten selbst das Trauma vor wenigen Wochen “vergessen” haben, aber die Schmerzen doch noch stören. Daher muss man manchmal gezielt nachfragen. Denke aber bei Thorax- /und Rückenschmerzen immer auch an die Red Flags! Ein Herzinfarkt, eine Pleuritis (aufgrund jeglicher Ursache) aber auch einige Tumorerkrankungen (z.B. Mamma-Ca) können in Knochen und Wirbelkörper streuen. Das darf man nicht vergessen!
Youtube:
→ PODCAST 1: Rückenschmerz in der Hausarztpraxis
→ PODCAST 2: Red flags des Rückenschmerzes in der Hausarztpraxis
→ PODCAST 3: Rückenschmerzen in der Notaufnahme mit Fr. Dr. Thiel
→ PODCAST 4: Rückenschmerzen aus der Sicht eines Orthopäden: Dr. Gatz
Auch beim Rückenschmerz gibt es wieder Red Flags, aber auch Yellow Flags und Blue Flags, die bei der Einschätzung des Chronifizierungspotenzials eine wichtige Rolle spielen. Die muss man als Hausarzt kennen!
→ AMBOSS-KAPITEL (orthopädische Untersuchungszeichen)
→ AMBOSS-KAPITEL (orthopädische Untersuchung der Wirbelsäule)
Schaue dir vor dem Seminar nochmal wichtige Untersuchungstechniken an. Tipp: Für viele orthopädische Tests/Zeichen gibt es auf Youtube auch Amboss-Videos! Weißt du, welche Beschwerden bei einem Wirbelbruch im Rahmen einer Osteoporose typisch sind? (Klopfschmerz, Tannenbaumphänomen etc.) oder wie man bei Verdacht auf einen Bandscheibenvorfall Hinweise in der Untersuchung erhält? Insbesondere beim Vorbeugen starke, ausstrahlende, dermatombezogene Schmerzen, sind beim Bandscheibenvorfall typisch. Begriffe wie Mennell Zeichen, Vorlaufphänomen und die Bewegungsparameter der Wirbelsäule sollte man als Hausarzt kennen. In den letzten Jahren hat die Chiropraktik die Manuelle-Therapie erneut in den Vordergrund gebracht. Spannende Tipps findet ihr im folgenden Artikel.
Wann? Welchen Schauspielpatient hat meine Gruppe?
Wo ist meine Gruppe (Raum)? - siehe Kursplan Moodle/ Tickets Eventbrite/ E-Mail
Vorgeschichte Schauspielpatienten
→ Diagnostik falls nötig Frage nach Vitalparametern, Sonobild, U-Stix, Schnelltests (z.B. CRP, Influenza, COVID, D-Dimere, Troponin), Schwangerschaftstest, EKG, Rachenbefund, Otoskopie, Auskultationsbefund Lunge
Bei der Auflistung handelt es sich um Beispiele. Die Auflistung soll euch helfen zu wissen, nach was man im Seminar fragen könnte, wenn es klinisch Sinn macht.
→ Therapie ggf. Einleitung weiterer Schritte z.B. AU, Krankenhauseinweisung, grünes oder rotes Rezept, Facharztüberweisung, Physiotherapie, Sportübungen/ Dehnübungen
→ VIDEO BEISPIEL SIMULATION (→ hier gibt es wichtige Informationen zum Ablauf)
→ VIDEO BEISPIEL AUS DEM SEMESTER (→ hier siehst du wie es im Semester ablief)
Meist kein Wissen, dass im Studium vermittelt wird, vor allem bei Rückenschmerzen aber oft sehr hilfreich für den Patienten. Falls du interessiert bist, lies dir einen Auszug verschiedener Formen von physikalischer Therapie durch!
Gerade bei Rückenschmerzen kann im Sinne der Verhaltensprävention das individuelle Fehlverhalten von Patienten dazu beitragen, dass Rückenschmerzen überhaupt erst entstehen. Auch für das 2. Staatsexamen ist es bestimmt nicht schlecht, sich nochmal über die verschiedenen Formen der Prävention, Gedanken zu machen.